Die seismischen Messungen (Sedimentechographie) und die Gravimetrie vom Tüttensee-Krater und die Legende von der Toteis-Genese.

Die seismischen Messungen (Sedimentechographie) und die Gravimetrie vom Tüttensee-Krater und die Legende von der Toteis-Genese

von Kord Ernstson (für CIRT), September 2014 

Zusammenfassung. – In einer seismischen Kampagne der Universität Jena wurden im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) auf dem Tüttensee sedimentechographische Messungen durchgeführt. Sie hatten zum Ziel, einerseits den Aufbau der Seesedimente zu erkunden, andererseits eine Bohrung von einer Plattform auf dem Tüttensee aus durch die Seesedimente standortmäßig vorzubereiten. Vorgebliches Ziel der Bohrung, die unmittelbar nach Vorlage der seismischen Ergebnisse untersagt wurde, sollte ein Beitrag zur Erforschung der nacheiszeitlichen Klimageschichte sein. In einem Bericht an das LfU werden die Ergebnisse der Seismik auf einer einzigen Textseite und mit zwei Seismogramm-Abbildungen stellvertretend für insgesamt 1500 m sedimentechographischer Profilstrecken abgehandelt. Die im Bericht als weitestgehend ergebnislos geschilderten Messungen werden im Zusammenhang mit einer sehr hohen akustischen Reflektivität des Seebodens als Folge gashaltigen Materials aus biogenem Abbau angesehen, die einen weiteren Einblick in den Seeuntergrund verhindert habe. Von der Universität Jena dem Verf. zur Verfügung gestellte Kopien von Seismogrammen sämtlicher Profilstrecken ermöglichten eine eigene Interpretation der Seismik auf dem Tüttensee, die zu anderen als zu den im LfU-Bericht aufgeführten Resultaten kommt. Danach treten eine Fülle von Reflexionselementen korrelierbarer seismischer Energie auf allen Profilstrecken bis in eine Tiefe von vielen Metern unter dem Seeboden auf, wobei insbesondere Beugungseffekte in Form von Diffraktions-Hyperbeln auf ein Haufwerk von lokal begrenzten Schichtungskörpern und Einzelobjekten deuten. Eine ruhige postglaziale Seesedimentschichtung unter dem Seeboden existiert nicht. Sedimentschichtung tritt dagegen gegen den Uferrand zu auf, die als autochthone bzw. parautochthone Lagerung normaler, vom Impakt weitgehend unbeeinflusster quartärer Sedimentation interpretiert wird. Seewärts abbrechende, in der Seismik auf einigen Profilen gut zu erkennende Schichtbündel werden als Rand des echten, unter dem Seewasser verborgenen Impakt-Kraters gedeutet, zumal diese Orte mehr oder weniger genau mit dem Kraterrand, wie er sich aus den Messungen einer früheren Gravimetrie ergibt, korrespondieren. Diese Strukturen, zusammen mit dem Reflexionsbild im zentralen Bereich des Tüttensees entsprechen genau dem Bild, das man sich vom Prozess der Kraterbildung bei einem Meteoriteneinschlag in das sehr lockere, wassergesättigte Material des Untergrundes zur Zeit des Einschlags machen muss. Die  seismischen Messungen unterstreichen einmal mehr, dass die Bohrung des LfU auf dem Festland außerhalb des eigentlichen Kraters unsinnig platziert war und dass die Schlussfolgerungen aus den Altersdaten der Radiokarbon-Datierung keinerlei Basis haben. Die Toteis-Hypothese für die Genese der Tüttensee-Hohlform erweist sich einmal mehr als durch nichts nahegelegt, geschweige denn belegt.

Inhalt1 Einführung – Vorgeschichte – –  2 Die Seismik im Bericht an das LfU – – 3 Die Seismik aufgrund des Datenmaterials sämtlicher Profile – Ergebnisse – – 3.1 Geist-Reflexionen – fälschlich als Sedimentschichtung gedeutet – – 3.2 Reflexionen an Einzelobjekten und Schichtgrenzen – nicht erkannt oder im LfU-Bericht ausgespart – – 3.3 Reflexionen am Kraterrand – – 4 Der Tüttensee-Meteoritenkrater: Seismik und Gravimetrie – – 5 Die Bohrung und Datierung des LfU jenseits des Tüttensee-Kraterrandes – – 6 Zusammenfassung, Diskussion und Schlussfolgerungen – – Literatur  „Die seismischen Messungen (Sedimentechographie) und die Gravimetrie vom Tüttensee-Krater und die Legende von der Toteis-Genese.“ weiterlesen

Das Donnerloch-Phänomen und der Chiemgau-Impakt: Ein neuer Baggerschurf, geophysikalische und geologische Befunde

Donnerloch Geoelektrik Geophysik induzierte Polarisation

Das Donnerloch-Phänomen und der Chiemgau-Impakt: Ein neuer Baggerschurf, geophysikalische und geologische Befunde

von Kord Ernstson und Andreas Neumair (Juli 2014)

Zusammenfassung

Das Phänomen der Donnerlöcher im Raum Kienberg nördlich des Chiemsees in Südostbayern hat die Bevölkerung seit Menschengedenken beschäftigt und die Geologen bezüglich einer Erklärung i.a. ratlos gelassen oder zu unüberlegten Deutungen (Toteislöcher, geologische Orgeln) veranlasst. Eine stimmige Erklärung, die sämtliche Beobachtungen im Zusammenhang mit Gesteinsverflüssigung (Bodenverflüssigung, Liquefaktion) und erdbebenähnlichem Schock befriedigend deutet, ist vor wenigen Jahren mit Bezug auf den Chiemgau-Meteoriteneinschlag publiziert, von der offiziellen bayerischen Geologie jedoch ignoriert worden. Ein neuerlicher, 8 m tiefer Donnerlocheinbruch mit gerade noch vermiedenem Personenschaden und ausführlichen Medienberichten hat das LfU (Bayerisches Landesamt für Umwelt) von der erst kurz zuvor geäußerten Meinung, die Donnerlöcher seien eine in Bayern nicht unübliche Erdfall-Erscheinung, und für die Region Kienberg sei ein Gefährdungsrisiko nur als gering zu erachten, offenbar abrücken lassen und einen Baggerschurf eines 2013 entstandenen kleineren Donnerlochs veranlasst, der im Rahmen von zwei studentischen Bachelor-Arbeiten unter der Betreuung durch LfU und TUM (Technische Universität München) geologisch aufgenommen wurde. Vor der Zerstörung des geologischen Untergrundes durch den Baggerschurf wurden von der Forscher-Gruppe des CIRT (Chiemgau Impact Research Team) geophysikalische Messungen in Form des Electrical Imaging für Widerstand und induzierte Polarisation durchgeführt. Sie bestätigen die bei früheren durch das CIRT praktizierten Baggerschürfen und geophysikalischen Messungen gewonnenen Erkenntnisse und lassen keine Zweifel an der Erklärung im Zusammenhang mit dem Chiemgau-Impakt aufkommen. Die mit der Geophysik nachgewiesenen erheblichen, großflächigen Umbrüche im geologischen Untergrund um die an der Oberfläche meist nur kleindimensionierten Donnerlocheinbrüche, die mit dem jetzigen Baggerschurf nur völlig unzureichend dokumentiert werden, belegen, dass im Raum Kienberg sehr wohl ein erhebliches Gefährdungspotential vor allem für Gebäude besteht.

Inhalt

1  Vorgeschichte – Einführung – 2  Das Donnerloch von Helming  – 3  Die geophysikalischen Messungen – 4  Vergleich mit den früheren Messungen – 5  Einige geologische Beobachtungen zum Baggerschurf; Liquefaktion und Injektite – 6  Donnerlöcher und Georisiken im nördlichen Landkreis Traunstein – 7  Zusammenfassung und Schlussfolgerungen – Literatur

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Chiemgau-Impakt: neuer Beitrag zur Mineralogie der Funde im Bereich des Meteoritenkrater-Streufeldes

Eisensilizid REM Chiemgau-Impakt-Syktyvkar Unter dem Elektronenmikroskop: die eigenartige Welt der Eisensilizide vom Chiemgau-Impakt. Beitrag zur Mineralogen-Tagung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Syktyvkar:

Meteorite impact on a micrometer scale: iron silicide, carbide and CAI minerals from the Chiemgau impact event (Germany)

Michael A. Rappenglück1, Frank Bauer2, Kord Ernstson3, Michael Hiltl4

1 Institute for Interdisciplinary Studies, Gilching, Germany; mr@infis.org – 2 Oxford Instruments GmbH NanoScience, Wiesbaden, Germany; Frank.bauer@oxinst.com – 3Faculty of Philosophy I, University of Würzburg, Germany; kernstson@ernstson.de – 4 Carl Zeiss Microscopy GmbH, Oberkochen, Germany; mhiltl@online.de

Kurz nach der Mineralogie-Tagung vom 19. – 22. Mai 2014 in Syktyvkar ist der Tagungsband mit den Beiträgen erschienen:

Tagung Syktyvkar Proceedings

Problems and perspectives of modern mineralogy (Yushkin Memorial Seminar–2014) Proceedings of mineralogical seminar with international participation Syktyvkar, Komi Republic, Russia 19–22 May 2014

Der Beitrag von Rappenglück et al. fasst die in den vergangenen Jahren und bis in jüngste Zeit mit unschätzbarer Unterstützung durch Carl Zeiss Microscopy und Oxford Instruments NanoScience zusammengetragenen mineralogischen Befunde zu den Eisensiliziden aus dem Krater-Streufeld des Chiemgau-Impaktes zusammen. Wir erinnern daran, dass die metallischen Eisensilizide in der Anfangsphase der Erforschung von der Gruppe der sehr erfahrenen Heimatforscher und Amateurarchäologen mit Metalldetektoren (bei behördlicher Genehmigung!) aufgespürt worden waren und nach weiteren Befunden zu den Kraterstrukturen als mögliches meteoritisches Material publik gemacht wurden. Untersuchungen bzw. Versuche, alle Eisensilizide als Abfallprodukt aus der Industrie oder zumindest als irdisch abzutun, folgten und werden bis heute kolportiert, so z.B. durch das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU), Abteilung Geologie, was von uns an anderer Stelle ausführlich kommentiert wird (HIER anzuklicken).

Am Ende zeigt sich nun, dass diese Heimatforscher, die sich später dann mit Wissenschaftler(inne)n aus den Geowissenschaften, der Astronomie, der Archäologe und der Geschichtswissenschaft zum CIRT (Chiemgau Impact Research Team) zusammenfanden, Recht behalten haben, nachdem sie aufgrund der z.T. außergewöhnlichen Fundumstände und der anfänglichen Analyse von den Eisensiliziden Xifengit und Gupeiit ihre Schlüsse gezogen hatten.

Der Abstract-Artikel aus dem Tagungsband kann HIER angeklickt werden. Das dazugehörige ausführlich informierende Poster kann ebenfalls angeklickt und heruntergeladen werden. HINWEIS: Abhängig vom gewählten Browser kann die Qualität auf dem Monitor sehr unterschiedlich ausfallen. Es wird gegebenenfalls empfohlen, die Datei auf dem Rechner zu speichern und mit einem PDF-Leseprogramm aufzurufen. WARNUNG: Das Poster-PDF ist ca. 50 MB groß!!

 

Mikrotektite und der Chiemgau-Impakt

Tektite sind wohlbekannte natürliche Gläser, die nach der Vorstellung der meisten damit befassten Forscher in der allerersten Phase der Kraterentstehung bei einem meteoritischen Impakt gebildet werden. Dabei werden oberflächennahe Böden und Gesteine geschmolzen und/oder verdampft und unter hoher Geschwindigkeit als Schmelze oder Dampf ausgeschleudert. Beim Rückfall mit Abkühlung erwerben die zu Glas gewordenen Partikel charakteristische Formen, landen auf der Erde, wo sie zu den Impakt-Auswurfmassen (Ejekta) gezählt werden. Obwohl dieser Ursprung der Tektite in Impaktprozessen allgemein akzeptiert wird, versteht man die genauen Bildungsbedingungen noch keineswegs besonders gut.

Im Kraterstreufeld des Chiemgau-Impaktes finden sich weit verbreitet Impaktgläser in verschiedensten Ausbildungen, und tektitartige Proben aus dichtem schwarzen Glas mit Blasenhohlräumen haben von Beginn an der Forschungen zum Impakt immer besondere Aufmerksamkeit erregt (Abb. 1).

Chiemgau Impakt tektitartige Gläser

Abb. 1. Dichte schwarze Gläser aus dem Streufeld des Chiemgau-Impaktes mit tektitähnlichem Aussehen und verdrehten Formen, wie sie ganz ähnlich z.B. auch bei den Irghizit-Gläsern des Zhamanshin-Impaktkraters auftreten. Dies aber sind NICHT die Mikrotektite aus dem Chiemgau. – Zum Vergrößern Bild anklicken!

Außerhalb des Kraterstreufeldes in den Alpenvorbergen hat nunmehr die systematische Suche nach einem Impakt-Fallout nicht nur reichlich winzige Eisensilizid-Partikel (Minerale u.a. Gupeiit und Xifengit) sondern auch Mikrotektite erbracht, die weitverbreitet in den Böden angetroffen werden (Abb. 2 und 3). Mit den Begriff Mikrotektite werden Tektite mit einer Größe von weniger als 1 Millimeter bezeichnet.

Die nunmehr gesammelten Mikrotektite zeigen die typischen Spindel-, Tränen-, Hantel-, Kugel- und Ellipsoid-Formen, sie sind transparent und haben meist eine gelblich-bräunlich-gräuliche Farbe. Häufig sind Blaseneinschlüsse.

Mehr zu diesen Mikrotektit-Funden in den Chiemgauer Bergen, insbesondere zu ihrer ungewöhnlichen chemischen Zusammensetzung, bringt ein Beitrag der CIRT-Forscher zur jährlichen renommierten Tagung 45th Lunar & Planetary Science Conference, The Woodlands, Texas, im März dieses Jahres. Wir werden dann berichten.

Bilder (durch Anklicken vergrößern):

Mikrotektit-Chiemgauer-Alpenberge

Mikrotektit Chiemgauer Alpenberge 2Chiemgau-Impakt Mikrotektit

Abb. 2. Typisch geformte Mikrotektite aus den Chiemgauer Bergen. Die Partikel sind 100 – 200 µm groß.

Rasterelektronenmikroskop-Mikrotektit-Chiemgau-Impakt

Abb. 3. Rasterelektronenmikrokopische Bilder von Chiemgauer Mikrotektiten. Aufnahmen Zeiss Microscopy.